Neurodivergenz und Arbeit: Wenn das System nicht passt - und du es neu gestaltest
- Seira Kerber

- vor 5 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Du sitzt im Büro. 9 bis 17 Uhr. Feste Zeiten. Fester Platz. Du sollst produktiv sein. Konstant. Vorhersagbar.
Aber dein Gehirn funktioniert nicht so.
Um 9 Uhr morgens bist du nicht wach. Um 22 Uhr abends läufst du zur Hochform auf. Du brauchst keine konstante Produktivität. Du brauchst Phasen von Hyperfokus. Du brauchst keine ständige Kommunikation. Du brauchst Zeiten der Stille.
Das System sagt: Pass‘ dich an. Du fragst: Warum sollte ich?
Die Arbeitswelt wurde für neurotypische Gehirne gebaut
9 to 5. Feste Arbeitszeiten. Egal, wann dein Gehirn am Besten funktioniert.
Großraumbüros. Ständige Ablenkung. Lärm. Unterbrechungen. Sensorische Überlastung.
Meetings ohne Ende. Ohne Pausen. Ohne Fokuszeit.
Multitasking als Ideal. Mehrere Projekte gleichzeitig. Ständiges Switchen. Keine Tiefe.
Präsenz als Leistungsindikator. Nicht was du leistest, sondern dass du da bist.
Für neurodivergente Menschen? Ein System, das gegen sie arbeitet.
Was neurodivergente Menschen wirklich brauchen
Flexibilität statt Starrheit. Arbeiten, wenn dein Gehirn optimal funktioniert. Nicht nach der Uhr.
Fokuszeiten statt konstante Verfügbarkeit. Zeiten ohne Meetings. Ohne Unterbrechungen. Wo du tief arbeiten kannst.
Asynchrone Kommunikation. E-Mails und Chats statt spontaner Ansprachen. Zeit zum Verarbeiten, bevor du antwortest.
Ruhige Umgebungen. Einzelbüro. Homeoffice. Noise-Cancelling-Kopfhörer. Sensorische Barrierefreiheit.
Projekte mit Sinn. Nicht nur funktionieren. Sondern etwas tun, das wichtig ist. Das dich fasziniert.
Autonomie. Nicht jeder Schritt vorgegeben. Vertrauen in deine Expertise. Raum für deine Arbeitsweise.
Der Paradigmenwechsel
Die Frage ist nicht: Wie passe ich mich dem System an? Die Frage ist: Wie gestalte ich Arbeit, die zu mir passt?
Manchmal innerhalb bestehender Strukturen:
Mit dem Arbeitgeber verhandeln: Flexible Zeiten. Homeoffice-Tage. Ruhiger Arbeitsplatz.
Entgegenkommen einfordern: Noise-Cancelling-Kopfhörer. Schriftliche Briefings. Fokusblöcke.
Projekte wählen, die dich interessieren. Wo deine Stärken liegen.
Manchmal außerhalb:
Selbstständigkeit. Du gestaltest deine Arbeit komplett selbst.
Freelancing. Projekte nach Interesse. Flexible Zeiten.
Remote-first Unternehmen. Die Flexibilität als Standard haben.
Nischenrollen. Die genau deine Stärken nutzen.
Die Beispiele, die Mut machen
Der ADHS-Unternehmer, der nachts arbeitet. Seine besten Ideen hat, wenn die Welt schläft. Kund*innen asynchron betreut.
Die autistische Programmiererin, die remote arbeitet. Tiefe Fokusarbeit. Schriftliche Kommunikation. Spezialinteresse als Beruf.
Der hochbegabte Berater, der nur Projekte annimmt, die ihn fordern. Der Zeit zwischen Projekten hat. Der nicht konstant funktioniert, sondern in Phasen brilliert.
Die hochsensible Coach, die ihre Termine so legt, dass sie Pausen dazwischen hat. Die ihre Umgebung selbst gestaltet. Die ihre Sensibilität als Stärke nutzt.
Das ist Wirksamkeit: Arbeit, die zu dir passt.
Nicht trotz deiner Neurodivergenz erfolgreich. Sondern wegen ihr.
Die neue Arbeitswelt braucht Menschen wie dich
Innovation kommt nicht aus dem 9-to-5-Bürojob. Sie kommt aus Menschen, die anders denken. Anders arbeiten. Anders gestalten.
Die Tech-Industrie hat es erkannt: Neurodivergente Menschen sind ein Wettbewerbsvorteil. Autistische Programmierer*innen. AD(H)S-Unternehmer*innen. Hochbegabte Strateg*innen.
Nicht weil sie sich anpassen. Sondern weil sie es nicht tun.
Deine Verantwortung
Du schuldest dem System keine Anpassung. Du schuldest dir selbst ein Leben, in dem du brillieren kannst.
Das bedeutet nicht, dass es einfach ist. Strukturen zu ändern ist schwer. Sich selbständig zu machen ist riskant.
Aber weiter in einem System zu funktionieren, das gegen dich arbeitet? Das kostet mehr.
Wo arbeitest du noch gegen dein Gehirn statt mit ihm? Was wäre der erste Schritt zu einer Arbeit, die passt?


